Theorie

Stellungnahme: Kinder- und Jugendarbeit stärken

  • Umfang: 12 Seiten
  • Autor*in: Bundesjugendkuratorium Deutschland
  • Graue Literatur / Bericht
  • München, 2017

Abstract

Das Bundesjugendkuratorium ist ein von der Bundesregierung eingesetztes Sachverständigengremium mit 15 Mitgliedern, eingesetzt zur Beratung der Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpolitik. Mit dieser Stellungnahme setzt sich das Bundesjugendkuratorium für die notwendige Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit ein.
Die Autor*innen verstehen Kinder- und Jugendarbeit neben Schule, Familie und Ausbildung als einen wichtigen Sozialisationsort für junge Menschen. Dabei sieht sich die Kinder- und Jugendarbeit mit neuen, zum Teil widersprüchlichen Entwicklungen konfrontiert. Die Anzahl des Personals wurde seit 1998 drastisch reduziert, die Vollzeitäquivalente haben sich bis 2014 gar fast halbiert (statische Zahlen siehe Stellungnahme). Der stärkste Rückgang ist innerhalb der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, der kulturellen Kinder- und Jugendarbeit und der mobilen Jugendarbeit zu verzeichnen. Nach der Erörterung von Zahlen zu Einrichtungen und Angeboten stellen die Autor*innen fest. „Die Kinder- und Jugendarbeit befindet sich in einer Gemengenlage unterschiedlicher Erwartungen, Anforderungen und fachlicher Überzeugungen; sie sieht sich dadurch mit Spannungsfeldern konfrontiert, die durch Herausforderungen (medien-)kultureller, sozialer, bildungspolitischer und demografischer Art verstärkt werden.“ (S.4) Auf der Basis des 15. Kinder- und Jugendberichts werden vier zentrale Spannungsfelder skizziert:
1. Interessen junger Menschen und gesellschaftliche Erwartungen an die Kinder- und Jugendarbeit. Verschiedene, durchaus konträre Erwartungen von Seiten der jungen Menschen, Gesellschaft und Politik, die Zunahme von Kindern und Abnahme von (älteren) Jugendlichen als Besucher*innen, die eingeforderte Kooperation mit Schule, der den Prinzipien z.B. der Offenen Kinder- und Jugendarbeit widersprechende, aber im Diskurs zunehmende Präventionsgedanke fordert die Jugendarbeit heraus. „Wird Kinder- und Jugendarbeit durch Interessen von Gesellschaft und Politik ‚fremdgesteuert‘, verliert sie nicht nur ihre Bedeutung und Attraktivität vor allem für Jugendliche, sondern erfährt eine Aushöhlung ihrer eigentlichen Funktion.“ (S.5f.)
2. Offenheit für alle und Zielgruppenbezug. Die demografische Entwicklung, die Themen Zuwanderung und soziale Herkunft und die Ansprüche im Zusammenhang mit Inklusion fordern die Kinder- und Jugendarbeit. Alle junge Menschen sollten Gelegenheiten und Räume für Selbstorganisation und Ermöglichung eigener Interessen zur Verfügung haben. Ein Abwandern z.B. von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit an die Schule kann die Folge haben, dass die Möglichkeiten an Freizeiträumen besonders für ältere Jugendliche weiterhin eingeschränkt werden.
3. Selbstorganisation junger Menschen und von Erwachsenen geprägte Strukturen und Angebote. Es besteht die Gefahr der erwachsenenzentrierten Prägung von Angeboten und Strukturen, was am Thema Bildung in verschiedenen Aspekten plausibilisiert wird. Diese und andere Entwicklungen können einschränkende Wirkung auf die so wichtigen Möglichkeiten der Selbstorganisation und dem Vorhandensein freier Räume als Zugang zur Auseinandersetzung mit eigenen, selbstgewählten Interessen und Bildungszielen haben.
4. Ehrenamt versus Verberuflichung. Ehrenamtliches Engagement verändert sich: während die Anzahl derjenigen, die mehr als zwei Stunden pro Woche sich engagieren, sinkt, nimmt die Anzahl derjenigen zu, welche sich weniger als zwei Stunden pro Woche engagieren. Ansprüche, rechtliche und administrative Vorgaben an die Kinder- und Jugendarbeit steigen, gleichzeitig tragen eine unzureichende Berücksichtigung der Kinder- und Jugendarbeit an den Hochschulen, tarifliche Eingruppierungen und geringe berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten zur Senkung der Attraktivität des Arbeitsfeldes Kinder- und Jugendarbeit bei. Dabei bilden die Professionellen mit ihrer Fachlichkeit und personeller Kontinuität das Rückgrat der Kinder- und Jugendarbeit und stellen den notwendigen fachlichen Rahmen für ehrenamtliches Engagement zur Verfügung.

Das Bundesjugendkuratorium formuliert folgende Handlungsempfehlungen:

  • Schaffung einer Infrastruktur und Rahmenbedingungen für vielfältige Angebote durch Überprüfung, Weiter- und Neuentwicklung; Stärkung der Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement; verlässlicher Rückhalt durch gut ausgebildete Fachkräfte; zentraler Ausgangspunkt sind die Bedarfe junger Menschen.
  • Professionalisierung und Qualifizierung durch angemessene Berücksichtigung des Arbeitsfeldes Kinder- und Jugendarbeit an den Hochschulen, passende Transferbedingungen zwischen Trägern und Hochschulen, z.B. durch Traineeprogramme.
  • Bessere Sichtbarkeit der Kinder- und Jugendarbeit durch kontinuierliche wissenschaftliche Beobachtung, empirischen Studien, angemessene amtliche Statistik und entsprechender Fachtagungen.
  • Ein bundesweites Netzwerk kann zur Reflexion und fachlichen Weiterentwicklung der unterschiedlichen Formate, Inhalte und Strukturen und Stärkung der politischen Interessensvertretung beitragen. Aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums ist dringend ein kontinuierliches Format für Verständigungs- und Aushandlungsprozesse notwendig.

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