Abstract
Albert Scherr beschreibt die Entwicklung konzeptionell qualifizierter Jugendarbeit historisch als ein Ergebnis aus dem Verhältnis von Theorie und Praxis, dem zunehmenden Einfluss des Theorems eine sozialräumlich ausgerichteten Jugendarbeit und grundlegend aus den sich verändernden gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in den 80er und 90er Jahren. Konzeptionen werden hierbei verstanden als zentrale Instrumente einer professionellen Jugendarbeit und nicht als Mittel zur externen Steuerung und Überprüfung. Während Theorien allgemeine Programmatiken wissenschaftlich und abstrakt vom lokalen Kontext für die Jugendarbeit entwerfen und versuchen, möglichst stabile Aussagen zu formulieren, sind Konzeptionen kontextbezogen auf die Praxis vor Ort, entworfen von Praktiker*innen und auf Veränderung und Weiterentwicklung angelegt. Konzeptionen „sind Texte, die auf der Grundlage (a) einer umfassenden Analyse der konkreten Bedingungen und Voraussetzungen des pädagogischen Handelns und (b) einer darauf bezogenen Formulierung der jeweils angestrebten pädagogischen Zielsetzungen (c) operationale Vorgehensweisen ausweisen, mit denen mit den verfügbaren Mitteln zu erreichende Teilziele realisiert werden sowie (d) Verfahren der Überprüfung des Erreichens von Teil- und Gesamtzielen festlegen.“ (S.615)
Zu (a): Eine umfassende Analyse der konkreten Bedingungen und Voraussetzungen enthält die ethnografische und sozialökologische Erforschung der Lebenssituation der Jugendlichen im jeweiligen Gebiet, die Analyse der vorhandenen Infrastruktur pädagogischer und kommerzieller Angebote und der Nutzungsweisen derselben, die Analyse der externen und internen Erwartungen an die Jugendarbeit und die Erfassung und Beschreibung der verfügbaren Mittel in Bezug auf Personal, Raum, Zeit und Geld.
Zu (b): Zielformulierungen sollen konkret sein, um das pädagogische Handeln orientieren und strukturieren zu können. Beispiel zum Thema Selbstorganisation: die Einrichtung einer Thekengruppe und der eigenverantwortliche Umgang mit der Kasse.
Zu (c): Operationale Vorgehensweisen sind konkrete Handlungweisen. Um an das oben genannte Beispiel der Thekengruppe anzuknüpfen: welche Regeln sind hierzu relevant und wie werden diese umgesetzt?
Zu (d): Im Sinne eines prozessualen Konzeptionsverständnisses für eine als kontinuierlichen Lernprozess zu gestaltende Praxis sind Formen der Evaluation und Selbstevaluation anzuwenden. Das konzeptionelle Handeln stellt sich somit als Kreislauf dar, in dem Theoriewissen und Erfahrungswissen gleichrangig miteinander verknüpft werden, um die Praxis weiterzuentwickeln. Der Umgang mit selbstkritischer Reflektion bezüglich Arbeitskonzeptionen und strategischem Kalkül in Bezug auf öffentlich präsentable Konzeptionen sind jeweils kontextbezogen zu lösen.
Eine so verstandene Konzeptionsarbeit trägt zur Profilierung einer eigenständig begründeten Fachlichkeit von Praktiker*innen bei. Scherr weist darauf hin, dass es vielerorts hierzu erforderlich ist, ein neues Arbeitsplatzprofil für Praktiker*innen durchzusetzen, denn: Praktiker*innen sind nach diesem Professionsbild auch Jugendforscher*innen vor Ort und hierzu sind vorrangig die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
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