Theorie

Demokratiebildung in der Jugendarbeit

  • Umfang: 9 Seiten
  • Autor*in: Sturzenhecker, Benedikt
  • Erschienen in: Coelen, Otto (Hg.) 2008 – Grundbegriffe Ganztagsbildung, S. 704–713
  • Springer VS, Wiesbaden, 2008
Der Beitrag ist kostenpflichtig beim Verlag erhältlich.

Abstract

Demokratiebildung ist ein gesetzlicher Auftrag und ein deutliches Potenzial der Strukturcharakteristika von Jugendarbeit. Wie kann Jugendarbeit ihre Möglichkeiten von Demokratiebildung als zentrales Merkmal besser realisieren? Und kann Demokratiebildung für die gemeinsame Gestaltung von Ganztagsbildung zwischen Jugendarbeit und Schule eine Grundorientierung sein?
Demokratie wird definiert als gleichberechtigtes, freies Diskutieren und Aushandeln von gemeinsamen Entscheidungen der Bürger*innen in Öffentlichkeiten und direkten wie repräsentativen Verfahren und Gremien, als partizipatives bzw. prozedurales Demokratiemodell, nicht nur als Herrschaftsform, sondern auch als Gesellschafts- und Lebensform. „Demokratiebildung in der Jugendarbeit müsste daher einerseits die Aspekte von Demokratie als Herrschafts- sowie Gesellschafts- und Lebensform in Strukturen und Handlungspraxis umsetzen und diese andererseits gleichzeitig bildungsorientiert als selbsttätige Aneignungserfahrung ermöglichen. Jugendarbeit benötigte damit in ihren Organisationen sowohl eine demokratische Verfassung, als Kodifizierung der Beteiligungsrechte und Strukturen, als auch eine demokratische Verfasstheit alltäglichen Umgangs miteinander." (S.706) Selbstbestimmung und Mitverantwortung als zentrale Merkmale von Demokratiebildung können nicht unter Zwang gelehrt werden, sondern müssen als freies Aneignungsangebot, also unter Bedingungen von Bildung, zur Verfügung gestellt werden. (Offene) Jugendarbeit bietet durch die Charakteristika der Freiwilligkeit der Teilnahme, Offenheit von Einrichtungen und Angeboten, Diskursivität und Machtarmut einen hervorragenden Nährboden für Demokratiebildung. Dabei wird angesichts ihres großen Potentials ihr sowohl im Theoriediskurs als auch in der Praxis von Professionellen zu wenig Beachtung geschenkt.
Der Ganztagsbildung liegen zwei möglicherweise divergierende Ideen zu Grunde: Zum einen sollen die beteiligten Institutionen, hier Jugendarbeit und Schule, in der Kooperation ihre Eigenart und Strukturbedingungen bewahren, zum anderen sollen sie doch gemeinsam etwas Drittes und Neues erzeugen. Würde Ganztagsbildung also demokratisch strukturiert, würde sie eher den Prinzipien von Jugendarbeit folgen und mit denen von Schule kollidieren, da diese strukurell Demokratiebildung weitgehend ausblenden muss. Will man also für Jugendarbeit ihre einzigartige Aufgabe und Chance der Demokratiebildung erhalten, kann sie kaum ein Partner für die Herstellung von Ganztagsbildung als einem neuen demokratiebildenden „Dritten“ sein. Jedoch bleibt die Möglichkeit zu prüfen, wieweit sie denn trotzdem in Wahrung der Eigenständigkeit ihrer Aufgaben und Strukturbedingungen im Ganztag kooperieren könnte im Rahmen kommunaler Bildungslandschaften und in der Wahrnehmung von Angeboten im Ganztag.

Url

Kurz-Link zu dieser Seite: https://www.oja-wissen.info/3375