Theorie

Entgrenzte Bildung – Konsequenzen für die Jugendarbeit

  • Umfang: 12 Seiten
  • Autor*in: Sting, Stephan
  • Erschienen in: Krisch, Schröer (Hg.) 2020: Entgrenzte Jugend – Offene Jugendarbeit. ‚Jugend ermöglichen‘ im 21. Jahrhundert, S. 110–123
  • Beltz Juventa, Weinheim, 2020
Der Sammelband ist inklusive dem Beitrag kostenpflichtig über den Verlag erhältlich.

Abstract

Seit der breiteren Anerkennung informeller Bildung hat die Jugendarbeit versucht, sich als Bildungsort, vorzugsweise in Bildungslandschaften, zu profilieren. Leider ohne weiterreichenden Erfolg, wie Stephan Sting feststellt. Kooperationsstrukturen in Bildungsnetzwerken sind überwiegend schulzentriert, Jugendarbeit führt ein oftmals instrumentalisiertes Schattendasein neben der Schule. Die Perspektive, das eigene Bildungsprofil durch Fokussierung auf spezifische Modalitäten von Bildung schärfen zu können, sind trügerisch, denn informelle Bildung lässt sich nicht eingrenzen, sie findet ebenso an anderen Bildungsorten statt, auch in Familie und Schule. Stephan Sting legt eine Bildungsperspektive dar, welche an die Entstehungsgeschichte der Offenen Jugendarbeit sowie an ihren grundlegenden pädagogischen Auftrag anknüpft und arbeitet bezugnehmend auf historische bildungstheoretische Konzeptionen grundlegende Orientierungen für eine bildungsförderliche Jugendarbeit heraus.
Die Prinzipien der OJKA wie Offenheit bezüglich Adressat*innen, Angeboten und Struktur, Freiwilligkeit oder auch Partizipation sind Alleinstellungsmerkmale des Bildungsortes der OKJA. Die subjektiven Bestrebungen sind Ausgangspunkt im Bildungsverständnis, Jugendarbeit sollte konsequent an die Selbstbildungsbestrebungen der Adressat*innen anknüpfen; Bildung gilt zugleich als sozialräumlicher Aneignungsprozess. „Verschiedene soziale Orte und Milieus bieten unterschiedliche Voraussetzungen für bildungswirksame Aneignungsprozesse, was ungleiche Bildungschancen mit sich bringt. Offene Jugendarbeit als Bildungsort hat teil an diesem sozialräumlichen Bildungsgeschehen. Zur Bestimmung ihrer Bildungspotentiale ist eine topographische Orientierung erforderlich, die sichtbar macht, in welche sozialräumlichen Zusammenhänge sie jeweils eingebettet ist und welche Möglichkeiten und Ansatzpunkte der Bildungsarbeit im jeweiligen sozialen Raum sinnvoll erscheinen [...] Die Angewiesenheit von Bildung auf die Anerkennung durch andere bindet sie darüber hinaus an konkrete Beziehungen und Interaktionen, die in der offenen Jugendarbeit in Gestalt freier jugendlicher Gesellungsformen präsent sind. Bildung in der Offenen Jugendarbeit enthält damit eine Orientierung an den Praktiken jugendlicher Geselligkeits- und Interaktionskontexte, die mit der Frage verbunden ist, wie das soziale Miteinander gestaltet werden soll. Im Anschluss an Deweys Bildungstheorie kann diese Frage durch die Orientierung an einem demokratischen Zusammenleben, was die Orientierung an einer möglichst umfassenden Partizipation und Inklusion einschließt, beantwortet werden.“ (S.116f.)
Die professionelle Rolle in der Bildungsarbeit lässt sich mit den Begriffen Begleitung und Assistenz beschreiben. „‘Bildungsassistenz‘ wäre in diesem Sinne darauf ausgerichtet, Bildungsanlässe im Alltag der Jugendlichen zu entdecken und zur Selbstreflexion und Erweiterung selbstbestimmter Handlungsoptionen anzuregen.“ (S.117)
Freie jugendliche Gesellungsformen stellen den zentralen Rahmen für die Bildungsarbeit in der OKJA dar. Die Bildungsarbeit kann dabei auf verschiedenen Ebenen ansetzen:

  • sie kann zum einen die für Jugendliche relevanten Themen aufgreifen;
  • sie kann sich die Bildungsarbeit auf die in den Gesellungsformen erkennbaren sozialen Dynamiken beziehen, auf den Umgang mit Differenzen zwischen verschiedenen Gruppenmitgliedern, auf Praktiken der Abwertung und Stigmatisierung, der Erzeugung von Hierarchien und Konformitäten;
  • ein Bildungszugang ergibt sich aus dem Anliegen, eine möglichst weitgehende Partizipation und Inklusion aller Jugendlichen im Zusammenleben anzustreben;
  • ein weiterer Zugang besteht schließlich darin, Jugendlichen beim Erwerb qualifikatorischer Bildung zu assistieren, ohne sich in qualifikatorischer Hinsicht oder gar von der ökonomistischen Leitperspektive „employabiltiy“ vereinnehmen zu lassen. Jugendarbeit sollte Bildungsort und Gelegenheitsstruktur für vielfältige selbstbestimmte und selbstbildende Aktivitäten junger Menschen bleiben.

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