Theorie

Jugendarbeit als Beruf

Geschichte einer Profession in Deutschland

  • Umfang: 206 Seiten
  • Autor*in: Hafeneger, Benno
  • Buch (Monographie)
  • Westdeutscher Verlag, Inh. Springer VS, Opladen bzw. Wiesbaden, 1992
Die Publikation ist kostenpflichtig beim Verlag erhältlich.

Abstract

Benno Hafeneger zeichnet in sechs Kapiteln die Professionsgeschichte und neben ihrer Verberuflichung auch ihre Verfachlichung und Verwissenschaftlichung in Deutschland von den Anfängen im ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre nach. Zu den Kapiteln:
1. In der Wilhelminischen Zeit, von 1890 bis 1918, sind nicht zuletzt aufgrund der Freisetzung der Jugendphase die ersten gesetzlichen Erlasse zur Jugendpflege und die ersten Bestrebungen zur Professionalisierung – Ausbildungskurse für Jugendpflege, Bildung von Ausschüssen etc. – zu verorten. Die Situation von Mädchen in der Jugendpflege und die beginnende Militarisierung der Jugendpflege werden in der Publikation gesondert behandelt.
2. In der Weimarer Republik (1918-1933) institutionalisiert sich die staatliche Jugendpflege durch Erlasse und dem 1922 verabschiedeten Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in hauptsächlich sozialintegrativer und präventiver Ausrichtung, insbesondere der „proletarischen Jugendpflege“ zugewandt. Jugendforschung - von Eduard Spranger bis Siegfried Bernfeld - etabliert sich zunehmend, auch mit dem Anspruch, ins pädagogische und politische Feld wirken zu können. Benno Hafeneger führt insbesondere das entstehende Professionsbild zur Jugendpflege, die Ausdifferenzierung der Ausbildungssituation, die Jugendbewegung und die Professionalisierung der Jugendverbände aus.
3. Unter dem Naziregime (1933-1945) wird die Jugendpflege zunehmend instrumentalisiert für nationalsozialistische Zwecke, die Hitlerjugend ist die Einheitsorganisation zur Gleichschaltung der Jugend.
4. Nachkriegszeit und 50er Jahre (1945-1959): Primäre Vergesellschaftungsinteressen bestanden in den Leitmotiven „Behebung der Jugendnot“, der Integration bzw. Eingliederung in das gesellschaftliche Leben und der Demokratisierung. Entsprechend den Herausforderungen in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg dominieren die Angebote der Jugendsozialarbeit. Die sich restaurierenden Jugendverbände knüpfen in ihrer Arbeit an die Vorkriegszeit an und professionalisieren sich zunehmend in den 50er Jahren. „Die Gruppe gerät zunächst als soziales System und die Gruppenarbeit als methodisches Arbeitsprinzip in den Mittelpunkt der pädagogischen Diskussion. diese dominierende restaurative Arbeitsform ist orientiert an den Leitbildern der bündischen Jugend; sie gerät ab Mitte der 50er Jahre zunehmend in Widerspruch zur wirtschaftlichen Entwicklung, dem (jugend)kulturellen Nachholbedarf und sich entwickelnder Konsumindustrie in der Bundesrepublik.“ (S.111) Zwei Drittel der Jugendlichen sind nicht in Verbänden organisiert, entsprechend waren die Hoffnungen, diese durch eine fortschreitend sich professionalisierende kommunale Jugendpflege zu erreichen, groß. Das professionelle Profil und die berufliche Stellung in der Jugendpflege werden detailliert nachgezeichnet.
Die recht schnell direkt nach dem Krieg von amerikanischen Soldaten durchgeführten German Youth Activities (GYA) legten den Grundstein für eine offene Jugendarbeit durch die Einführung von offenen Einrichtungen. Viele der Häuser wurden Anfang der 50er Jahre in kommunale Trägerschaft übergeben; im Laufe der 50er Jahre zeigte sich zunehmend eine Konfliktstruktur im Spannungsfeld eines integrationspädagogischen, von Erwachsenen geprägten Jugendbildes und den Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen. Die herausfordernde Gemengelage in diesem Dilemma zwischen überwiegend schlecht oder ungenügend ausgebildeten Mitarbeiter*innen, staatlichem Ordnungsanspruch und dem zunehmenden Anspruch Jugendlicher von Mit- und Selbstbestimmung wird ausführlich geschildert inklusive der damaligen Konsequenzen in der Ausbildungssituation, welche ab Ende der 50er Jahre in Forderungen nach einer akademischen, sozialwissenschaftlich fundierten und bundeseinheitlich geregelten Ausbildung mit der Berufsbezeichnung „Sozialarbeiter“ mündete.
5. In den 60er Jahren zentrierte sich die wissenschaftliche Diskussion auf die Situation der Jugend in der modernen Gesellschaft: Gesellschaftliche Entwicklungen, die jugendkulturelle Aufwertung, Jugendprotest, zunehmende Bedeutung der peer groups lassen die Jugendphase als Moratorium begreifen und fordern eine Neubestimmung von Jugendarbeit und Professionalität heraus. Entwicklungslinien sind eine Sozialarbeit und Sozialpädagogik als sozialwissenschaftlich orientierte Teildisziplin der Erziehungswissenschaft, eine zunehmend bildungspolitische Ausrichtung der Jugendarbeit und eine sukzessive sich eigenständig formulierende Jugendpolitik. Insbesondere die Erklärung des DBJR von St. Martin von 1962 und die Publikation „Was ist Jugendarbeit?“ mit den vier Versuchen für eine Theorie der Jugendarbeit der Autoren Müller, Kentler, Giesecke und Mollenhauer aus dem Jahr 1964 gelten als bedeutsame Anstöße zur Neuorientierung. Die Offene Jugendarbeit weitet sich quantitativ aus, kommt jedoch in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre in eine konzeptionelle und inhaltliche Krise, gekennzeichnet vor allem an der nachlassenden Attraktivität der programmatischen Ausrichtung ihrer Angebote und zurückgehender Besucher*innenzahlen. Es herrscht Mangel an ausgebildeten Fachkräften, die Forderungen nach adäquater Ausbildung nehmen zu. Erstmals findet Ende der 60er-Jahre eine breite berufspolitische Selbstartikulation statt. Ab 1968 wurde der Studienschwerpunkt „außerschulische Jugendarbeit/-bildung“ ein fester Bestandteil des Curriculums an Fachhochschulen und im Rahmen der universitären Ausbildung.
6. Die 70er- und 80-Jahre: Offene Jugendarbeit wird zum Schwerpunkt kommunaler Jugendpflege, die traditionelle Jugendarbeit wird immer mehr vom zunehmenden Selbstverständnis emanzipatorischer Ansätze hinterfragt und abgelöst, Jugendarbeit formuliert den Anspruch, eine eigenständige Sozialisationsinstanz zu sein. Quantitativ boomt die Jugendhilfe allgemein und insbesondere die Jugendarbeit immens. Dementsprechend nimmt der Professionalisierungsdruck in der kommunalen Jugendarbeit und auch in den Jugendverbänden zu. „Der Paradigmenwechsel von Professionalisierung und Professionalität erfolgt von Emanzipation, Partizipation, Demokratisierung in den siebziger Jahren zu Sozialpolitischer Inpflichtnahme/Dienstleistung, Lebensbewältigung in den 80er Jahren; Ende der achtziger Jahre gibt es Versuche, Jugendarbeit neu zu verorten, ein weiterer Paradigmenwechsel wird mit Kategorien wie Aneignung, sozialökologische Orientierung, sozialräumliche Verortung begründet." (S.179) Es kommt zu einer vermehrten Diskussion über das Professionsprofil in einem zunehmend unübersichtlichen, heterogenen und flexiblen Arbeitsfeld. Hafeneger schlägt als Ausblick neun Legitimationsmuster für Professionalität vor:

  • Vernetzung/Ressourcen/Infrastruktur: dies entspricht z.B. den Rollenzuschreibungen „Raumwärter“ oder „sozialinfrastuktureller Fachmann“
  • Beziehung/Prozeß und Begegnung
  • interessanter Erwachsener und Zusammenleben
  • Produkt-/Schwerpunkt-/Projektorientierung
  • Selbstorganisation und Selbstbestimmung
  • intergererative Zusammenarbeit
  • „Geschlechterfrage - Mädchen-/Jugendarbeit“
  • ziel- und problemgruppenbezogene Angebote
  • Dienstleistung/Management/corporate identity.

Diese Muster sollen Angebote für Professionsrollen darstellen und sind in ihrer Vielfältigkeit Ausdruck für den „Abschied von Eindeutigkeiten“. Sie sollen Platz einräumen „für experimentelle und hoffentlich wenig konkurrente Verortungen und Begründungen [...] Die Arbeit an Profilen und Profilmischungen – immer mit der Gefahr des Scheiterns – müssen die Mitarbeiter selbst, aus eigener Kraft realisieren [...]“ (S.193) Grundlegende Legitimationen zu Bedeutung und Notwendigkeit von Jugendarbeit und Professionalität, so Hafeneger, gibt es nicht mehr bzw. lösen sich auf. Grundsätzlich ist in dieser Arbeit am eigenen Professionsprofil entscheidend, ob die Träger*innen ihren Fachkräften einen sicheren, entwicklungsförderlichen Rahmen zur Verfügung stellen können.

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