TheorieForschung

Pädagogisch betreut //Die offene Kinder- und Jugendarbeit und ihre Erziehungsverhältnisse im Kontext der (Ganztags-)Schule

  • Umfang: 331 Seiten
  • Autor*in: Gosse, Katharina
  • Buch (Monographie)
  • Springer VS, Wiesbaden, 2020
Die Publikation ist kostenpflichtig beim Verlag erhältlich.

Abstract

Mit der auch gesetzliche vorgegebenen Ausrichtung auf Interessen und Mitbestimmung junger Menschen wird eine inhaltliche Ausgestaltung der OKJA vorgegeben, die in der Tradition ihrer emanzipatorischen bzw. schulkritischen Diskurslinie steht. Das Arbeitsfeld OKJA wird in ein nachrangiges Konkurrenzverhältnis zu Schule gestellt. Forciert wird dies durch die seit einigen Jahren ungebrochenen Forderung der Politik nach Schulkooperation und grundsätzlicher Legitimation der OKJA. Die Ganztagsschule wird in dieser Publikation als ein Phänomen jener politischen Strategie verstanden, die generell auf die Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse gerichtet ist und mit der hier konkret die Verschulung weiter forciert wird. Katharina Gosse stellt in vorliegender ethnografischer Studie die forschungsleitende Fragestellung: „Wie werden die Erziehungsverhältnisse in einem Kooperationssetting der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Schule in den Erziehungspraktiken sinnhaft hergestellt? Welches Wissen wird im Zuge dessen (re-)produziert?“ (S.7)
Untersucht wird ein konkretes Kooperationsverhältnis einer Jugendeinrichtung und einer Schule in drei Teilsettings: bezüglich der Freizeit, dem Mittagessen und der Hausaufgabenbetreuung. Einführend setzt sich die Autorin mit historischen Rekonstruktionen zum emanzipatorischen bzw. schulkritischen Fachdiskurs der OKJA auseinander.

Die Ergebnisse der Studie können hier nicht gänzlich dargestellt werden, exemplarisch soll auf einige Aspekte eingegangen werden. Durch Diskursanalyse arbeitet die Autorin heraus, „wie die Kräfteverhältnisse im Erziehungs- und Bildungssystem zum Nachteil der offenen Kinder- und Jugendarbeit bzw. generell der Jugendhilfe reproduziert werden und zudem auch, welche politische Agenda im Forschungsfeld präsent ist.“ (S.294) In Bezug auf die drei genannten Teilsettings der Studie werden detailliert Ergebnisse aufgelistet, unter anderem: wie es zu einer Gleichzeitigkeit der Anwendung von ambivalentem Wissen aus unterschiedlichen pädagogischen Bereichen – Schule und OKJA, Schüler*in und Jugendliche*r – und dem entsprechenden Niederschlag im pädagogischen Handeln kommt; wie eine strukturelle und programmatische Neuausrichtung in Abkehr von den Prinzipien der Freiwilligkeit und Offenheit zu beobachten ist; im Hinblick auf Subjektivierungsformen, ob und inwiefern die neoliberale Ausrichtung der Aktivierung im pädagogischen setting der OKJA greifen kann. In Bezug auf Betreuungsangebote zeigen die Ergebnisse, „wie verhindert wird, dass ein (jugendarbeiterischer) Bildungsbegriff im Feld Fuß fassen kann. Auch dadurch werden die bestehenden ungleichen Kräfteverhältnisse zwischen Kinder- und Jugendhilfe/-arbeit und Schule im Erziehungs- und Bildungssystem zum Nachteil der ersteren weiter verfestigt, denn: Die Schule setzt die Begriffe und das Jugendzentrum wird zugleich auf die Betreuungsdienstleistung verwiesen.“ (S.305)
„In der Hausaufgabenbetreuung der Schulkinderbetreuung wird schwerpunktmäßig Unterricht imitiert. Auf der Grundlage der Ergebnisse muss Linder [...] zugestimmt werden, der die Übernahme dieser Aufgabe durch die offene Kinder- und Jugendarbeit aus verschiedenen Gründen problematisiert – u. a. etwa deshalb, da es bei den Hausaufgaben in hohem Maß um Kontrolle gehe. Tatsächlich muss die Sinnhaftigkeit dieser Tätigkeiten infrage gestellt werden, weshalb ich die fachliche Position vertrete, dass die professionell Tätigen des Jugendzentrums die Aufgabe, den Kindern schulisches Wissen zu vermitteln, denjenigen überlassen sollten, die dafür ausgebildet sind und die dafür (besser) bezahlt werden, nämlich den Lehrerinnen.“ (S.307)
Auf der Grundlage der Studienergebnisse rät die Autorin auch in der Perspektive der OKJA als einem eigenständigen Arbeitsfeld von Schulkooperationen mit dem Fokus auf Nachmittagsbetreuung ab. „Falls diese jedoch aufgrund der politischen Vereinnahmungen unumgänglich wären, gehe ich davon aus, dass für diese ‚Zusammenarbeiten‘ entscheidend ist, was im sog. offenen Betrieb, als dem Kernelement des Arbeitsfeldes, passiert.“ (S.311)
Zur Stärkung des eigenständigen Profils der „Jugendzentrumsarbeit“ bzw. Jugendarbeit sind die institutionellen Kräfteverhältnisse, die Machtstrukturen hinsichtlich der Diskurspolitik und hinsichtlich der Einbindung der Professionalität in das Erziehungs- und Bildungssystem in den Blick zu nehmen. ‚Betreuung‘ ist die politische Agenda, die in den schulnahen Betreuungsangeboten des Forschungsfeldes wirkmächtig ist; andere pädagogische Paradigmen werden untergeordnet oder ausgeschlossen. Abschließend schlägt die Autorin nach einer Kritik am Leistungsprinzip, an der fortschreitenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche, an der Verschulung der Jugendphase und der Rolle von Schule in der Reproduktion von Ungleichheiten in Anlehnung an Benedikt Sturzenhecker Demokratiebildung als konzeptionelle Kernausrichtung der OKJA vor.

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