Theorie

Selbstbestimmte Lebensführung und Demokratiebildung //Oder: Warum es immer noch wichtig ist, Jugendarbeit als Ort emanzipatorischer Bildungsprozesse zu gestalten

  • Umfang: 22 Seiten
  • Autoren*innen: Scherr, Albert; Sturzenhecker, Benedikt
  • Erschienen in: Spatscheck, Christian; Wagenblass, Sabine (Hg.) – Bildung, Teilhabe und Gerechtigkeit. Gesellschaftliche Herausforderungen und Zugänge Sozialer Arbeit. Weinheim/Basel 2013, S. 54–76
  • Beltz Juventa, Weinheim, 2013
Der Sammelband ist inklusive dem Beitrag beim Verlag kostenpflichtig erhältlich.

Abstract

Ausgehend von einer subjektorientierten Leitperspektive soll Jugendarbeit Selbstbildung, Eigentätigkeit, Eigensinn und Experiment in der Lebensführung ermöglichen. „Jugendarbeit ist folglich als ein pädagogisches Feld zu charakterisieren, für das die Annahme konstitutiv ist, dass Jugendliche ein Recht haben, eigene Vorstellungen über ein ihnen angemessenes Leben zu entwickeln und zu erproben sowie etablierte gesellschaftliche Strukturen, Institutionen und Praktiken zu hinterfragen.“ (S.57) Die Jugendarbeit steht mit ihrem Bildungsbegriff damit im Spannungsverhältnis zum qualifikationsorientierten Bildungsverständnis des formalen Bildungssystems und zu der utilitaristischen Logik des Neoliberalismus im Sinne von Zurichtung auf Arbeitsfähigkeit und Konsum. Die Autoren führen in diesem Beitrag aus, wie Jugendarbeit aufgrund ihrer Strukturcharakteristika und ihrem Bildungsbegriff ebenso unpassend ist zum Aktivierungsparadigma im Sinne des „Förderns und Forderns“, in welchem Subjektivität als Fähigkeit zu Anpassungsleistungen, nicht als Autonomiepotenzial gefasst wird und auch nicht passend ist zur Präventionslogik, welche das Subjekt als potenziellen Quell von Defiziten begreift. Auch als Dienstleisterin für Schule im Sinne einer Auftragsnehmerin, welcher der Schulperspektive unterliegt, eignet sich Jugendarbeit als eigenständiger Bildungsort aufgrund ihres Bildungsbegriffs und ihrer Arbeitsweise nicht, was im Beitrag detailliert nachgezeichnet wird.
Dem gegenübergestellt wird die Perspektive einer emanzipatorischen Lebensführung, ein in sich stimmiges und nach eigenen Maßstäben anstrebenswertes Leben führen zu können. „Emanzipation bedeutet in diesem Sinne, das Recht auf ein eigenes Leben, das durch Eigensinn, Autonomie und durch ‚Qualität, Tiefe, Fülle und Intensität des Lebens‘ [...] gekennzeichnet ist, gegen gesellschaftliche Verhältnisse einzufordern, die darauf ausgerichtet sind, Lebensführung auf die permanente Bemühung zu reduzieren, gesellschaftlichen Vorgaben, Erwartungen und Zwängen gerecht zu werden.“ (S.66) . Ein Alleinstellungsmerkmal der Kinder- und Jugendarbeit sind ihre Potentiale für Demokratiebildung. „Kinder- und Jugendarbeit scheint einer der wenigen Bereiche zu sein, der aufgrund seiner strukturellen Partizipativität das Potenzial bietet, dass Kinder und Jugendliche demokratische Konflikt- und Entscheidungsprozesse konkret in ihrer Lebenswelt erfahren können.“ (S.70) Die Potentiale werden in der Praxis nicht ausgeschöpft. Im Beitrag werden abschließend Vorschläge wie z.B. eine Verfassung für Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit dargestellt.

Bezüglich den Ausführungen zum Aktivierungsgedanken stellt der Beitrag "Offene Kinder- und Jugendarbeit und staatliche Aktivierungsstrategien" eine Ergänzung dar. Eine inhaltlich konträre Position wird in der Studie "Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen" vertreten, siehe untenstehende Links.

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